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FAN – Fonds zur Förderung des akademischen Nachwuchses

Antigone – Widerstand und Aufopferung für Menschlichkeit

"Wohin mit toten Terroristen? Die Antigone im Deutschen Herbst.” Hierüber referierte Ulrich Eigler, Professor für Klassische Philologie (Latinistik) und Mitglied des FAN-Beirats, am ersten FAN-Gönneranlass des Jahres 2017.

Antigone, die Nichte des Königs von Theben, bestattet gegen das Verbot des Herrschers ihren Bruder Polyneikes, der gegen die eigene Stadt Krieg geführt und dabei vor den Toren Thebens den Tod gefunden hatte. Sophokles brachte den Mythos 442 v. Chr. als Tragödie auf die Bühne. Der Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll griff diese 1977 auf und gestaltete für den Episoden-Film „Deutschland im Herbst“ (1978) eine Szene. In ihr wird das Bestattungsthema der sophokleischen Antigone im Lichte der Debatte über die Frage, was mit den toten Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan Karl Raspe zu geschehen habe, behandelt. Diese hatten sich im Herbst 1977 nach blutig gescheiterten Versuchen, ihre Freilassung zu erpressen, in Stuttgart-Stammheim den Tod gegeben.

Es geht um die Frage nach Schranken des Hasses. König Kreon will den Staatsfeind Polyneikes, der vor den Mauern der Stadt gefallen war, den Vögeln und Hunden zum Frass überlassen. Polyneikes‘ ungehorsame Schwester Antigone verurteilt er zum Tode und lässt sie einmauern.  Die Hybris des Königs führt in die Katastrophe: Antigone sowie Kreons Sohn und seine Gattin nehmen sich das Leben.

Der Film „Deutschland im Herbst“ interpretiert die Ereignisse um die Suizide dreier RAF-Terroristen im Lichte der Antigone-Tragödie. Was aber geschah wirklich? Durch einen einsamen Entscheid gebot der Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel (Sohn des Feldmarschalls Erwin Rommel) der Eskalation des Hasses Einhalt: Gegen den Willen seiner CDU-Parteigänger ordnete er eine Bestattung auf einem Friedhof an. Ensslins Vater, ein Pfarrer, und ihre Schwester leiteten die Zeremonie.  „Ein sensationeller Entscheid“, würdigt ihn Ulrich Eigler. Er erinnert an den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, der 2012 die Bestattung eines Attentäters französischer Nationalität in Toulouse befahl. Osama bin Ladens Asche wurde ins Meer gestreut. In anderen Fällen verweigern Imame Totengebete für Terroristen. Entscheide dieser Art werden wohl leider auch in Zukunft gefällt werden müssen.

1980 strahlte das Schweizer Fernsehen eine Sendung der Reihe „Telebühne“ aus, die mit der Aufführung von Anouilhs Antigone begann. Danach sollte eine Debatte über Widerstand gegen die Staatsgewalt stattfinden, die aber – wie Ulrich Eigler mit einem Videodokument in Erinnerung rief – unter Aktionen von Vertretern der Jugendbewegung unterging und vorzeitig abgebrochen wurde.

Ulrich Gut, Geschäftsführer des FAN

Ulrich Eigler
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