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FAN – Fonds zur Förderung des akademischen Nachwuchses

FAN-Anlass Dezember 2021

Delfine

Nach langem Corona-bedingtem Unterbruch konnte sich die FAN-Community am 1. Dezember 2021 zu einem ausserordentlich gut besuchten Anlass treffen. Der FAN-Usanz entsprechend haben nebst dem Keynote Speaker zwei vom FAN unterstützte Nachwuchsforschende über ihre Studienprojekte berichtet. Es sind dies Dr. Franziska Fecher, die als Archäologin, sich mit den materiellen Hinterlassenschaften vergangener Epochen befasst, und Herr Dr. Michel Rickhaus, der als Chemiker auf der Suche nach nachhaltigen Materialien für die Zukunft ist.  

Der Keynote Referent Michael Krützen, Professor für Evolutionäre Anthropologie und Genomik und Leiter des Anthropologischen Instituts der UZH, nimmt unter dem Titel «UZH Down Under – Langzeitforschung an Delfinen in der Shark Bay» die Zuhörerschaft mit auf eine Zeitreise von den Anfängen der Delfinforschung in den 1980-er Jahren bis hin zu den heute aktuellen Forschungsaktivitäten. Dabei geht er der Frage nach, inwieweit diese Tiere menschenähnliches Gebaren zeigen, das auf eine Vorstufe zu unserem Verhalten hinweist.  

Krützen betont, dass bei der Evolutionsforschung nur Langzeitstudien schlüssige Ergebnisse zulassen. Seit 1996 untersucht er Delfine in der Shark Bay an der Westküste Australiens, einer Bucht, die aufgrund ihrer grössten Seegraswiesen weltweit, ihres Artenreichtums an Stromatolithen und der marinen Megafauna (Delphine, Schildkröten, Haie, Seekühe, Zahnwale) als UNESCO Welterbe deklariert ist.  

Im Mittelpunkt seines Referats steht das Sozialverhalten der Delfine. Aus der Evolutionsforschung ist bekannt, dass neben den Primaten und Elefanten die Meeressäuger, insbesondere die Zahnwale, zu denen die Delfine gehören, sich durch ein grosses, leistungsfähiges Denkorgan auszeichnen. Doch was begünstigte im Lauf der Evolution die Gehirnentwicklung, fragt Krützen in die Runde. Die «Social Brain Hypothese» aus den 80er Jahren sagt voraus, dass Tiere, die in komplexen Sozialsystemen leben generell bessere kognitive Fähigkeiten aufweisen. Ein solches komplexes Sozialverhalten ist die kooperative Allianzbildung, die die männlichen Delfine der Shark Bay auszeichnet. Langjährige Verhaltens-Surveys haben gezeigt, dass adulte Männchen starke Allianzen bilden, sie schwimmen zusammen als Freunde durchs Wasser und kooperieren, um sich mit fertilen Weibchen zu paaren. Dies ist ungewöhnlich, da Kooperation unter Männchen im Tierreich in Bezug auf Paarungsverhalten nur sehr selten ist. Zu diesen in den 80er Jahren gewonnenen Erkenntnissen kamen in den 90er Jahren aufgrund erweiterter Verhaltensdaten Entdeckungen übergeordneter Allianzstrukturen hinzu. Innerhalb einer Allianz von etwa 14 Tieren bilden jeweils 2 - 3 Tiere, die sich der Konkurrenz um die fertilen Weibchen stellen, untergeordnete Allianzen. Diese sind allerdings nicht sehr stabil, die Delfine schliessen sich zusammen und trennen sich dann wieder, sie bilden ein riesiges «Fission-Fusion-Netzwerk». Solch komplexe Allianzbildungen auf zwei Ebenen, sind bis dato nicht bekannt, auch nicht bei Schimpansen.  

Weshalb kooperieren die Delfine auf eine derart aussergewöhnliche Weise, wo es doch um eine Ressource geht - jeweils ein Weibchen für 3 Männchen -, die nicht geteilt werden kann? Weshalb sollen die Männchen einem anderen helfen, dessen Gene an die nächste Generation weiterzugeben? Evolutionsmässig ein grosses Rätsel. Verwandtschaft ist keine Erklärung für dieses altruistische Verhalten. Hingegen haben genetische und Verhaltensanalysen in den 2000-er Jahren gezeigt, dass bei den Delfinen die soziale Integration den höchsten Vaterschaftserfolg aufweist und dass innerhalb der Gruppe die Vaterschaften relativ gleichmässig verteilt sind, also keiner dominant zu sein scheint. 

Zusammenfassend kann man sagen, dass Delfine die komplexeste Sozialstruktur im Tierreich aufweisen, eine Struktur, die wesentlich komplizierter ist als jene bei Schimpansen. Delfine können dank ihrer offenen «Fission-Fusion-Netzwerkstruktur» Hunderte möglicher Partner haben, mit denen sie im Lauf ihres Lebens interagieren. Ihre Kooperation beruht auf kognitiv komplexeren Mechanismen und weist gewisse Ähnlichkeiten zum menschlichen Gebaren auf.  

Schliesslich streift der Referent einen weiteren Bereich seiner Delfinforschung, die wissenschaftliche Schlagzeilen macht, den Gebrauch von Werkzeugen bei der Jagd. Mit übergestülpten Schwämmen fangen die Delfine Fische ein, ein Verhalten, das von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Eine ebenso erfolgreiche, innerhalb einer Generation übermittelte, Jagdtechnik, ist das «Shelling», mit dem sie die in Schneckenhäusern versteckten Fische herausschütteln. Der Werkzeuggebrauch zeigt, dass Delfine in der Lage sind, Verhaltensweisen zu erlernen und diese auch sozial weiterzugeben, so Krützen. 

Obwohl die kognitive Evolution dieser Meeresgiganten unabhängig und unter anderen Voraussetzungen als bei den auf dem Land lebenden Schimpansen erfolgt, gibt es doch auffallende Ähnlichkeiten. Beide Arten verfügen über diverse Fähigkeiten zur Innovation und zur Weitergabe von kulturellen Verhaltensweisen.  

 

Sibylle Ambühl, Geschäftsführerin FAN 

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