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FAN – Fonds zur Förderung des akademischen Nachwuchses

FAN-Anlass Juni 2022

Rund 80 Gäste waren am FAN-Anlass am 30. Juni anwesend, an dem der renommierte Neurowissenschafter und Psychologe, Prof. Dr. Lutz Jäncke, einen Keynote-Vortrag zum Thema «Ist das Gehirn vernünftig?» hielt und das Publikum mitnahm auf eine faszinierende Reise in die Hirnforschung. Gleich zu Beginn antwortete er, dass die Frage rhetorisch sei und wir Menschen aus biologischen Gründen nicht so vernünftig handeln, wie wir es glauben. 

Vernunft sei ein philosophischer Begriff und Jäncke verwies auf René Descartes, der als Wegbereiter der Aufklärung gilt, mit seinem Grundsatz «Cogito ergo sum», übersetzt als «Ich denke, also bin ich». Die Trennung zwischen Mensch und Tier gehe auf den Philosophen zurück. Dabei sei heute klar, dass es sich komplett anders verhalte und der Mensch ein Tier ist. 

Unser Gehirn wiegt 1,2 bis 1,4 Kilo und nimmt nur 2 % des gesamten Körpervolumens ein. Jäncke beschrieb es als «unfassbaren Energievampir», da es ca. ein Fünftel der gesamten Energie des Körpers im Ruhezustand verbraucht. Warum verbraucht das Gehirn so viel Energie? Die Antwort: Das Gehirn versuche im Hintergrund in Ruhe das zu verarbeiten, was schon in ihm an Erfahrungen enthalten ist und mit dem zu verknüpfen, was neu an Eindrücken und Reizen hineingelangt. Das Gehirn hasse Chaos. Wichtig sei, dass Interpretationen des Gehirns höchst subjektiv seien, woraus Jäncke eine «tiefe Demut vor der Individualität» ableitete. Er beschrieb das Gehirn als «unfassbar tolles Netzwerk». Kein Tier der Welt verfüge über mehr Nervenzellen als das menschliche Gehirn. 

Mit einem Beispiel aus der Musik zeigte Jäncke auf, dass es individuelle Erfahrungen sind, die zum Beispiel dazu führen, dass gewisse Melodien mit ganz bestimmten Eindrücken verbunden sind.

Das menschliche Gehirn sei nicht für absolute Urteile geeicht, es könne gar nicht absolut urteilen, sondern urteile relativ. Per Zufall werden wir in Kulturen hineingeboren, in Kulturen, die Jäncke als konventionelle Regelsysteme beschrieb. Wir müssen lernen, uns daran anzupassen. Letztlich seien unsere Bewertungen immer relativ zu den Regelsystemen, die in unserem Lebenskontext gelten, so der Referent. 

Anhand des Beispiels von Coca-Cola-Fans, die besonders stark auf einen Reiz reagierten, zeigte Lutz Jäncke, dass ein- und derselbe physikalische Reiz im Gehirn komplett unterschiedliche Reaktionen auslösen kann. Daher seien unsere Präferenzen individuell. 

Jäncke erläuterte, dass wir die Welt durch einen Filter betrachten und nur ein Teil im Rampenlicht unserer Wahrnehmung steht. Wir benötigen viel Kraft, um uns nicht ablenken zu lassen, z. B. angesichts der heute im Internet zur Verfügung stehenden, stark angestiegenen Informationsmenge, da unser Gehirn nur über eine begrenzte Anzahl von Rezeptoren verfügt. Das menschliche Gehirn verarbeitet nur Informationen, die ein gewisses Mass an Attraktivität beinhalten. Es geht um die Frage, was am meisten heraussteche, was emotional sei. Schliesslich beschrieb Jäncke das Gehirn als Interpretationsorgan. Interpretation sei die wichtigste Aufgabe des Gehirns. Diese Interpretation sei individuell und mache auch nicht vor Schmerzen Halt, wie das Beispiel des empathischen Schmerzes eines Vaters zeigt, dessen Sohn auf seinem Schoss sitzt und eine Spritze erhält. 

Lutz Jäncke hat seine neuropsychologischen Erkenntnisse auch in seinen beiden letzten Büchern «Ist das Hirn vernünftig» und «Von der Steinzeit ins Internet. Der analoge Mensch in der digitalen Welt» dokumentiert. Zum Abschluss seines Vortrags betonte er, dass seit den bildgebenden Verfahren das Verständnis des Menschen und das Wissen über neurologische Erkrankungen und die Arbeitsweise des Gehirns enorm gewachsen seien. Er sei überzeugt, dass nichts ohne das Gehirn passiere. Das Gehirn sei ein tolles Organ, ein Interpretationsorgan par excellence, voll mit unbewussten Prozessen und wir seien blind und Weltmeister im Interpretieren. 

Im Anschluss an den Hauptvortrag berichteten auch zwei vom FAN unterstützte Nachwuchsforschende über ihre Studienprojekte. 

Es sind dies die mittlerweile zur Assistenzprofessorin berufene Ana Stücklin, die im Bereich von Hirntumoren bei Kindern forscht, und Xenia Karametaxas, die in ihrem FAN-Forschungsprojekt der Frage nachging, inwieweit globale Rahmenbedingungen für Finanz¬märkte den Wandel in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft fördern können. 

Schliesslich wurde Thomas Peter, der Anfang Jahr von seinem FAN-Präsidium zurückgetreten ist, für all seine getätigten Leistungen herzlich verdankt, als FAN-Präsident, als Präsident des Vergabeausschusses des Alumni-Fonds und als Vorstandsmitglied von UZH Alumni.

 

Christina Gehres 

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